Es geht um das Video, dass die Stadt beauftragt hatte, um die Menschen auf die Verhaltensweisen zum Thema COVID 19 Virus hinzuweisen.
Dies war der Brief der Clubs und die Antwort von Herrn Geisel:
Nachricht: Absender
SI Clubs
Düsseldorf; Düsseldorf-Pempelfort; Düsseldorf-Hofgarten; Düsseldorf-Karlstadt; Düsseldorf-Königsallee; Düsseldorf-Oberkassel; Düsseldorf-Kaiserswerth i.Gr.
Herrn Oberbürgermeister
Thomas Geisel
Düsseldorf, den 24. Juli 2020
Betr. Video Farid Bang
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Geisel,
wir, sieben Düsseldorfer Clubs von Soroptimist International Deutschland mit 250 Mitgliedern, wehren uns entschieden dagegen, dass Farid Bang als Medium eingesetzt wird, Verhaltensregeln anlässlich des COVID 19 Virus in Düsseldorf anzusprechen.
Es ist uns durchaus bewusst, dass eine bestimmte Bevölkerungsgruppe erreicht werden soll, die das Virus nicht in der Weise ernst nimmt, wie es die gegenwärtige Situation verlangt.
Doch wen haben Sie hier ausgewählt?
Farid Bang ist vor allem bekannt für seine antisemitischen und frauenverachtenden Texte. Haben Sie als Vater von vier Töchtern jemals einen seiner Texte angehört? Frauenverachtend ist wahrscheinlich noch untertrieben. Es wird unverhohlen zu Gewalt an Frauen aufgerufen und bietet gewaltbereiten Männern, die Frauen als Objekte betrachten, eine Plattform, die unerträglich ist.
Öffentlichkeit und Publicity haben eine große Macht und die haben Sie einem Menschen gegeben, der dafür gefeiert wird, dass er rappt „denn der einzige Ring, den ich ‚ner Frau geb’, trägt sie am Auge“. Und das war noch harmlos.
Als Soroptimistinnen setzen wir uns seit fast 100 Jahren weltweit für Menschenrechte für alle, Frieden und internationale Verständigung ein. Wir kämpfen in unserem weltweiten Netzwerk für die Verbesserung der Stellung der Frau, Gleichberechtigung und gegen jede Gewalt an Frauen.
Als Soroptimistinnen sind wir entsetzt und können in keiner Weise tolerieren, dass Sie diesen „Promi“ für Ihre Öffentlichkeitsarbeit einsetzen.
Der Zweck heiligt hier nicht die Mittel! Es muss andere Möglichkeiten geben, die Problematik in der Altstadt zu lösen.
Mit freundlichen Grüßen
im Namen der Düsseldorfer Soroptimistinnen
gez. Dr. Beate Speicher
Präsidentin Soroptimist International Deutschland 2005-2007; Präsidentin SI Club Düsseldorf-Hofgarten 1995-97 und 2014-16;
Erste Vorsitzende des Fördervereins Soroptimist Düsseldorf 2000 e.V.
Ihre Kontaktdaten: Dr. Beate Speicher
Erste Vorsitzende Soroptimist Düsseldorf 2000 e.V.
Reichswaldallee 55
40472 Düsseldorf
Liebe Präsidentinnen,
nachfolgend findet Ihr die Antwort von Herrn Geisel auf unseren Brief.
Herzliche Grüße
Beate
Von: thomas.geisel[at]duesseldorf.de [mailto:thomas.geisel[at]duesseldorf.de]
Gesendet: Mittwoch, 29. Juli 2020 11:19
An: Dr. Speicher
Betreff: Antwort: Ihre Nachricht an Oberbürgermeister Thomas Geisel
Sehr geehrte Frau Dr. Speicher,
Vielen Dank für Ihre E-Mail.
das Video auf der städtischen Facebook Seite hat in den letzten Tagen in der Tat sehr viel Ärger, kontroverse Diskussionen und bei nicht wenigen Betroffenheit und Entsetzen ausgelöst.
Wie konnte ich auf die Idee kommen, ausgerechnet Farid Bang darum zu bitten, für die Einhaltung der in Corona Zeiten geltenden Verhaltensregeln zu werben?
Wer sich am Wochenende nachts in der Altstadt und am Rheinufer aufhält, spürt schnell, dass dieser Ort ein erhebliches Infektionsrisiko birgt. Menschen sitzen dicht gedrängt insbesondere auf der Freitreppe am Burgplatz, aber auch etwa auf den Bänken der Rheinuferpromenade, und man hat den Eindruck, es hätte nie eine Pandemie gegeben. Ein „potentielles Ischgl“ nennt der Leiter unseres Gesundheitsamtes derartige Menschenansammlungen, und es hat wohl eher mit Glück zu tun, dass dies bislang nicht zu einem „Superspreader“-Ereignis geworden ist.
Aber es geht nicht nur um Infektionsschutz. Je später der Abend, desto mehr wird das Bild bestimmt von jungen Männern zumeist mit Migrationshintergrund, die sich nicht nur nicht an die geltenden Infektionsschutzregeln, sondern generell an keine für ein zivilisiertes Zusammenleben geltenden Regeln halten. Sie fahren mit einem „getunten“ Fahrzeug, jaulendem Motor und Imponiergehabe vorschriftswidrig in die Anliegerstraße am Mannesmannufer, sie machen rücksichtslos Krach mit „Ghettoblastern“, belästigen Anwohner und Passanten und verrichten ihre Notdurft nach erheblichem Alkoholgenuss in Hauseingängen. Vor allem aber wächst mit fortgeschrittener Stunde das Aggressionspotenzial: Anweisungen von Polizei und Ordnungsdienst werden ignoriert und nicht selten kommt es zu Flaschenwürfen und sogar tätlichen Angriffen auf die Ordnungshüter.
Allein mit polizeilichen Mitteln, so befürchte ich, wird sich dieses Problem nicht lösen lassen. Denn in Wahrheit geht es um ein Problem mangelnder und möglicherweise scheiternder Integration beziehungsweise um die schrittweise Entwicklung einer Parallelgesellschaft, die schon heute dazu geführt hat, dass viele Düsseldorferinnen und Düsseldorfer abends und nachts Altstadt und Rheinufer meiden.
Dies ist der Hintergrund, vor dem ich Farid Bang angesprochen habe. Denn bei den Menschen, die das Rheinufer unsicher machen, handelt es sich um einen Teil der Gesellschaft, zu dem Vertreterinnen und Vertretern von Politik und des gesellschaftlichen Mainstreams praktisch keinen Zugang haben, die aber – davon gehe ich jedenfalls aus – empfänglich sind für die Ansprache einer Person wie Farid Bang. Denn sie hören seine Musik und haben nicht selten einen vergleichbaren biografischen Hintergrund.
Dass ein Video mit Farid Bang erhebliche Kontroversen auslösen würde, war mir durchaus klar. Der Skandal um die empörende Ausschwitz-Zeile bei der Echo-Preisverleihung vor zwei Jahren ist mir selbstverständlich noch in Erinnerung. Und auch dass Sprache und Inhalt vieler seiner Songs nicht nur ungehörig, sondern regelrecht widerwärtig sind, war mir bekannt.
Aus diesem Grunde habe ich Farid Bang zu einem Gespräch ins Rathaus eingeladen, um mir selbst ein Bild davon zu machen, ob die angebliche Reue und Läuterung insbesondere im Hinblick auf den Antisemitismus-Vorwurf glaubwürdig ist. Bei diesem Gespräch habe ich Farid Bang als einen Menschen kennen gelernt, der sehr wohl in der Lage ist, das, was er tut, kritisch zu reflektieren. Insbesondere die sehr bewegende Schilderung seines Besuchs in Ausschwitz (auf Einladung des Zentralrats der Juden in Deutschland im Nachgang zum Echo-Skandal) empfand ich als authentisch und glaubwürdig.
Spüren konnte man in unserem Gespräch auch, wie wichtig ihm – als Einwanderer, der im Alter von acht Jahren aus Marokko nach Düsseldorf gekommen ist – das Thema der Integration ist. Dass wir die Entwicklung von Parallelgesellschaften unter allen Umständen verhindern müssen und dass eine vielfältige und multikulturelle Stadt Gesellschaft nur auf die Grundlage gemeinsamer Regeln und gegenseitigen Respektfunktionieren kann – darüber waren wir uns einig. Vor diesem Hintergrund habe ich ihn um die Aufnahme des Videos gebeten, das mittlerweile bereits mehrere 100.000 mal angeklickt wurde.
Angesichts der kontroversen Diskussionen, die durch diese Entscheidung ausgelöst wurden, stelle ich mir im Nachhinein natürlich die Frage, ob ich hier richtig gehandelt habe.
Zunächst: von einem Konflikt mit der jüdischen Gemeinde, der in der Presse verschiedentlich konstruiert wurde, kann keine Rede sein. Es gab ein – in der Tat bedauerliches – kommunikatives Missverständnis, auf das die Gemeinde in einer übrigens sehr differenzierten Stellungnahme aufmerksam gemacht hat. Anlässlich eines Besuchs in der Gemeinde wurde sehr deutlich, dass das Verhältnis zwischen Stadtspitze und Jüdischer Gemeinde in Düsseldorf sehr freundschaftlich und vertrauensvoll ist, und dieses Video nicht geeignet ist, dieses vorbildliche Verhältnis zu beeinträchtigen.
Anders verhält es sich mit den Reaktionen, die insbesondere frauenverachtende und homophobe Äußerungen und Textzeilen in den Songs von Farid Bang, ausgelöst haben. Mir ist sehr deutlich geworden, dass viele Frauen und viele Mitglieder der Queer-Community insofern nicht nur keinerlei Verständnis für meine Entscheidung haben, sondern regelrecht entsetzt und zum Teil auch persönlich getroffen und verletzt sind.
Mit Blick auf manche wirklich empörende Äußerung von Farid Bang, die mir in diesem Zusammenhang bekannt geworden ist, kann ich dies nur zu gut verstehen. Das tut mir leid und im Nachhinein gesehen mache ich mir natürlich den Vorwurf, diesen Aspekt offensichtlich nicht gründlich genug recherchiert und im Gespräch mit Farid Bang nicht deutlicher zur Sprache gebracht zu haben.
Denn eines ist klar: Wenn Frauen, wenn Schwule und Lesben verhöhnt und verachtet werden, ist eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden darf, wenn das gesellschaftliche Miteinander in einer so vielfältigen und heterogenen Stadt Gesellschaft wie der in Düsseldorf funktionieren soll. Wenn ich auf die sechs Jahre meiner Amtszeit als Oberbürgermeister von Düsseldorf zurückblicke, ist die Integration, also das Zusammenhalten und das Miteinander dieser Stadtgesellschaft vielleicht die größte Herausforderung in diesem Amt.
Abschließend kann ich Ihnen mitteilen, dass das Video inzwischen von der Webseite der Stadt genommen wurde. Es wird auch keine weitere Zusammenarbeit mit Farid Bang geben, der für das besagte Video im Übrigen kein Honorar erhalten hat.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Geisel
Oberbürgermeister
Landeshauptstadt Düsseldorf
Rathaus, Marktplatz 1-2
40213 Düsseldorf
Tel. +49 -(0) 211.89-9 2001
E-Mail: thomas.geisel[at]duesseldorf.de